Freienwalde um 1779
Helmut Mette
Das Betrachten historischer Ansichten von Städten und dabei die Verknüpfung mit dem gegenwärtigen Zustand verlangt doch ein gewisses Maß an Vorstellungsvermögen. Mit dem „Grundriß der Stadt Freienwalde “aus dem Jahr 1779 von I. F. Schleuen soll so ein Versuch unternommen werden.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Stadt im kräftigen Aufwind durch einen bereits florierenden Badebetrieb und dem Wohlwollen des preußischen Könighauses. Seit dem Dreißigjährigen Krieg hatte sich die Einwohnerzahl auf ca. 2000 erhöht, Handwerk und Gewerbe blühten auf. Die Stadt hatte ein barockes Antlitz erhalten. Aber trotzdem lebte noch ein Teil der Bevölkerung als Ackerbürger. Deren Grundstücke wurden so angelegt, und ihre Scheunen befanden sich auf Grund der hohen Brandgefahr außerhalb der Stadt auf dem Scheunenberg in der Wriezener Vorstadt. Nach der Bodenreform musste ein Teil den acht Neubauerngehöften weichen. Die letzte Scheune verschwand vermutlich im Frühjahr 1985 im Zuge des Schulneubaus, wie sich Familie Klaus Wiedmann noch erinnern konnte.
Zwei ehemalige slawische Fischerdörfer, der Kietz, bestehend aus Ober und Unter Kietz (K) und Tornow (I), tangierten die jüngere Stadt Freienwalde.
Ein anderes bedeutsames Ereignis war die Trockenlegung des Oderbruchs. Ein Teil des Wassers war bereits verschwunden, Felder sind bereits erkennbar und die Fischer wurden Bauern. Die Felder der Freienwalder Ackerbürger lagen vorher ausschließlich im Ranfter Feld. Wir erkennen den heutigen Landgraben (ein Stück hieß „der Falkenberger Stieg“), noch „ausgefranst“, einige Inseln im verlandeten Hechtsee und über ihn führten zwei Brücken. Der Vorläufer der heutigen Stadtbrücke verband die Stadt mit dem Weidendamm. Dieser war bereits Ende des 16. Jahrhunderts von den Uchtenhagen angelegt worden, mit Weiden bepflanzt und er erhielt 1764 eine Pflasterung. Die Fähre konnte nicht mehr fahren und lediglich die Alte Oder bildete das letzte Hindernis.
Die Stadt war bis Anfang des 19. Jahrhunderts noch im Halbkreis von einem Palisadenzaun umsäumt und der andere Teil durch Wasser und Sumpf geschützt. Um 1779 sollte die Palisade in Verbindung mit den Stadttoren die Akzise sichern. Sämtliche Waren, die beidseitig die Tore passierten, wurden versteuert. Deshalb befanden sich beim Wasser und Berliner Tor jeweils ein Torhaus für den Stadtschreiber, dem Steuereintreiber.
Die wendischen Dörfer Kietz und Tornow sind in ihrer Form bis heute noch erkennbar. Auch die Dorfbrunnen sind eingezeichnet. Die Häuser standen allerdings mit dem Giebel zum Anger. Wie die meisten alten Oderbruchdörfer hatten auch sie weder Friedhof noch Kirche. Beim Torn sind die Sechserbrücke, Brückenstraße als auch Pfenniggasse erkennbar.
Das alte Wassertor (D) verband die Wasserstraße (ab 1841 Marktstraße) mit der Fähre, später mit der Brücke zum Weidendamm. Der Weg dorthin wurde schon im Mittelalter aufgeschüttet und gepflastert, weil sich darunter eine bis zu 16 m starke Moorschicht befindet. Die große Flut von 1736 zerstörte die Fähranlegestelle, Palisadenzaun und das Wassertor. Es wurde erst 1765 wieder aufgebaut. Die heutige Wasserstraße gab es 1779 noch nicht. Sie hieß später u.a. Kanal Weg. Als die auf Betonpfählen ruhenden Wohnblöcke in der Wasserstraße in den 1970er Jahren gebaut wurden, fand man Reste eines Kahnstegs. Das zweite bedeutende Tor war das Berliner Tor (G). Es befand im Bereich der Alten Hofapotheke, etwa dort, wo sich heute das Kino befindet. Mit der beginnenden Stadterweiterung, die wahrscheinlich durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen wurde, erhielt das Berliner Tor 1622 seinen neuen Standort an der Ecke Rathenaustraße. Ab 1818 wurde die Akzise nicht mehr eingezogen. Damit wären die Tore überflüssig, aber vermutlich büßten sie bereits vorher ihren eigentlichen Zweck ein, denn 1801 spendete die Königin 50 Taler für den Abriss des Berliner Tores.
Das Kietzer Tor (A) befand sich an der schmalsten Stelle der Kietzer Straße, heute Eberswalder Straße, und bestand aus zwei Torflügel mit eingelassener Tür. Es wurde 1772 erneuert. Der Verlauf der Freienwalder Straßen hat sich vom Mittelalter bis heute kaum verändert. Aber nichts ist beständiger als die laufende Veränderung der Straßennamen. Aus Gassen wurden Straßen. Die Verbindung zur Neumark und Kurmark wurde durch Berlinner Straße und Wasserstraße hergestellt. Die Kietzer Straße, auf der Ansicht von 1779 nicht ersichtbar, führte ins Hammertal, dem historischen Freienwalder „Gewerbegebiet“, bis nach Falkenberg. Dieser Weg war aber als Fernverbindung untauglich, weil das Niederoderbruch bis an die Kante des Barnim reichte. Der Weinanbau endete nach einem harten Winter um 1740, so daß an den Amtsweinberg nur noch der Straßenname erinnert.
Der ab 1795 so genannte Rosmarienberg, damals Pöterberg (Töpferberg), hatte das gleiche Straßenbild wie heute mit der Seidensack- oder Seidenbeutelgasse (Johannisstraße), Budengasse und Pöter Weg (beides Rosmarienstraße). Kurze Straße, Mittelstraße und Georgenkirchstraße erhielten ihre Namen erst 1904.
Im Marktbereich sind erkennbar: die Nikolaikirche (C), links daneben ein langgestreckter Fachwerkbau (Wohnhaus) für den Konrektor (Stellvertreter des Schuldirektors), Stadtschreiber und Wehemutter (Hebamme). Gleich dahinter stand die Stadtschule. Zwischen ehemaligem kurfürstlichen Jagdschloß (königliches Schloss, als Sitz des Amtes Freienwalde bzw. Wohnhaus und später Schule genutzt,) und Kirche, befand sich das Seidenhaus. Der umtriebige Tischler Deutsch, der „Königliche Kultivator des Seidenanbaus“, als Spezialist von Friedrich II. geschätzt und gewürdigt, erbaute 1765 zusammen mit dem Potsdamer Waisenhaus ein Gebäude zur Gewinnung der aufgewickelten (gehaspelten) Rohseide. Überhaupt gab es eine beträchtliche Anzahl von Maulbeeranpflanzungen in der Stadt und demnach eine nicht unbedeutende Seidenraupenzucht.
Das mittelalterliche, angeblich 400 Jahre alte Rathaus war schon längst abgebrochen, als im Zuge des barocken Aufbaus 1707 Meister Felix Volhardt ein Rathaus auf jenen Platz erbaute, wo heute die Gedächtnislinde steht, aber wegen schwerer Bauschäden 1821 „gänzlich abgerissen“ wurde.
Die Scharren für einen Bäcker und fünf Fleischer sind gut zu sehen. Der Keller diente allerdings als Gefängnis und er wurde auch von der Garnison genutzt. Der Ratskeller mit Ausschank wurde 1727 bereits in ein Privathaus verlegt.
Erst im 18. Jahrhundert konnte man die schon vorgesehene Stadterweiterung vollenden. Das Quartier mit der heutigen Bezeichnung „Neue Bergstraße“ wurde begrenzt durch Berliner Straße, Grünstraße (Große Grünstraße) und Kleine Grünstraße. Um 1841 wurde ein Teil Fischerstraße, der andere Teil die Jope, die zum Wasser führte. Schope oder Jope, kommt evtl von Schöpfen, war eine Kelle oder Trog im Brauereihandwerk. Dieser Jopegang wurde 1896 an die Eheleute Blanke verkauft und hatte seinen Anfang in der Fischerstraße, ungefähr 50 Meter rechts vom Cafe „Zur Jope“. Die Wriezener Straße hieß bis 1889 Wriezener Vorstadt. Durch den Teich der Vormühle (H), später auch Stadtmühle, musste dieser Weg einen Bogen machen. Erst mit der Trockenlegung des Mühlenteichs 1896, damit auch Einstellung des Mahlbetriebs, erfolgte die Begradigung der Straße. Vor Jahren war es ein Schild „Mühlenstraße“, jetzt sind es nur noch die alte Linde und die Kastanien, die an die alte Wassermühle erinnern.
Quelle:
VIADRUS Heimatbuch für Bad Freienwalde
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Der Berliner Weg verlief unterhalb des später erbauten Schlosses in Richtung Berliner Vorstadt. Ende des19. Jahrhunderts wurde er verlegt und mündet in die heutige Gesundbrunnenstraße. Seit 1889 heißt alles Berliner Straße.
Der St. Nikolai-Friedhof, auch der Große Friedhof genannt, ist noch durch eine Umfassung (Mauer?) gekennzeichnet und wurde 1791 geschlossen. Danach wurde bis 1867 ausschließlich der St. Georgen – Friedhof genutzt.