1349 wird Groß Neuendorf in einer Schenkungsurkunde erstmals erwähnt. Bereits im 12. Jahrhundert begann die germanische Besiedlung, so belegen Erste Fundstücke, dass Groß Neuendorf zu den frühen wendischen Siedlungen im Oderbruch gehört. Mit der benannten Schenkungsurkunde erhielt der Probst zu Bärwalde, Dietrich Mörner den Ort Groß Neuendorf zusammen mit dem Nachbarort Ortwig als Geschenk und zum Dank für treue Dienste. Allerdings hieß zu jener Zeit der Ort noch >Cruschzig<. Für Oderbruchverhältnisse ist Groß Neuendorf eher eine große Ortschaft mit anfangs niedrigen und einfachen Bauernhäuser, dass sich aber allmählich zum Ortsausgang ändern und überraschende Einblicke gewährt.
Wie zu jener Zeit üblich folgte auch in Groß Neuendorf eine Reihe an Übereignungen bis zum dann 1670 das Fischerdorf in ein Bauerndorf entwickelte. Da der Besitzer, Gutsherr von Sydow nur selten Vorort war, fällten die Einwohner die umliegenden Wälder und verbesserten somit den Hochwasserschutz. Darüberhinaus war Groß Neuendorf nicht nur ein Fischerdorf mit Landwirtschaft. Einige wenige Zweigeschossige Häuser, wie das Postgebäude und der Landfrauengasthof aus Kaisers Zeiten lassen erahnen, dass dem Ort in früherer Zeit eine größere Bedeutung zukam, als er heute in der Abgeschiedenheit am Grenzdeich genießt. An dieser Stelle sei noch die bedeutende Pferdezucht erwähnt.
Zur Blütezeit des Ortes um 1861 kletterte nicht nur die Einwohnerzahl auf über 2.000, sondern auch die Anzahl der niedergelassenen Gewerbe. Ebenfalls bedeutsam waren die zwei Windmühlen und die Ölmühle. Außerdem besaß Groß Neuendorf einen ausgebauten Hafen mit einem Verladekran. Das Korn aus dem Oderbruch wurde bis nach Stettin und Breslau verschifft, sowie auch über Kanäle bis nach Berlin. So entstand in jener Zeit die Überlegung eine Oderbruch-Bahn* zwischen Wriezen und Fürstenwalde zu errichten, wobei Groß Neuendorf der Hauptanlaufpunkt für Lokstation und Hafen mit Anschluss an die Schmalspurbahn werden sollte, die allerdings auf Grund jahrzehntelanger Versprechungen erst 1912 erstmals befahren wurde.
Der Hafen, der Mittelpunkt des Dorfes war, galt bereits Mitte 19. Jahrhunderts als Hauptumschlagplatz für landwirtschaftliche Güter des Oderbruchs. Von dort aus wurden Waren bis nach England verschifft. Mit dem Bau des noch heute erhaltenden Hafenbeckens wurde 1911 begonnen und 1912 die Kran- und Speditionsgesellschaft gegründet. Wie so vieles im Oderbruch wurden auch der Hafen und die Gleisanlagen 1945 nahezu vollständig zerstört. Von nun an wechselte das Gelände mehrmals den Besitzer bis es schließlich 1970 vom damaligen Getreidezentrum Fürstenwalde gänzlich stillgelegt wurde. Nur der Turm der ehemaligen Hafenanlage blieb erhalten und gilt heute als markantes Wahrzeichen Groß Neuendorfs. Am Hafen konnten sich erfolgreich ein Kolonialwarengeschäft und eine Gaststätte der Familie Menzel etablieren.
Von der Einzigartigkeit dieser Anlage beflügelt, hatte ein Berliner Architekt eine Vision. So sollten in mitten der Oderbruchlandschaft ein Restaurant, ein Hotel, im Turm ein Kaffee und Ferienzimmer, eine Galerie, ein kleiner Yachthafen, ein touristischer Servicepunkt, ein Landwirtschaftsmuseum und ein Skatebahn entstehen. Und wieder einmal scheiterte eine Vision an der Realität. Das Maschinenhaus mit Hotel ging an einen neuen Eigentümer und im Verladeturm betreiben Landfrauen ein Cafe. Selbstverständlich lohnt sich trotz alledem ein Besuch. Von Groß Neuendorf sind verschiedene Fahrradtouren ins Oderbruch möglich. Sie führen zu weiteren Kleinodien wie Letschin oder Kienitz. In der Galerie Koch und Kunst werden die Sinne angesprochen. Fotos und Florales, Kräuter und umfangreiche Menüs haben hier ihren großen Auftritt. Stefan Hessheimer und Kerstin Rund betreiben die Galerie seit 1999.
* Die Oderbruch-Bahn
Um 1900 kam die Industriealisierung auch im Oderbruch an. Nach jahrzehntelanger Planung und Diskussion über die Streckenführung von Wriezen nach Fürstenwalde wurde 1909 endlich der Grundstein gelegt. Im Transport landwirtschaftlicher Güter lag der Schwerpunkt der Bahn. Aber auch im Personennahverkehr zählte die Bahn in ihrem ersten Betriebsjahr über 440.000 Fahrgäste, sprich ca. 1.200 Fahrgäste pro Tag. Obgleich eine derartige Passagieranzahl nie wieder erreicht wurde.
Die Betriebsverwaltung und die Hauptwerkstatt der Bahnstrecke lagen in Müncheberg zu dem ein Abzweig der Bahnlinie führte. Entsprechend der landwirtschaftlich wirtschaftlichen Bestrebungen lag der Hauptbahnhof allerdings in Groß Neuendorf mit einem Abzweig zum Hafen, sowie weiterführende Gleise bis zum nahegelegenen Hafen Kienitz.
Beim Bau der Strecke mussten beim Abstieg in das Oderbruch 17 Meter tiefe Einschnitte erfolgen und bis zu 14 Meter hohe Dämme errichtet werden. 55 Bauwerke waren zur Überquerung von anderen Bahnlinien und Straßen notwendig. Außerdem wurden 43 Bahnstationen erbaut, die heute noch teilweise erhalten sind und sich zum Großteil in Privatbesitz befinden.
Noch während des Ersten Weltkrieges begann der stetige Abstieg der Bahnstrecke. Das Personal wurde an die Front gerufen, Fahrpläne wurden drastisch reduziert und den Rest bekam die Bahn von der Energiekriese. Durch das Hochwasser nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 wurden die Bahnanlegen erheblich beschädigt.
Die Weiterentwicklung des Straßenverkehrs auch in der DDR machte Bahnstrecke nicht nur unrentabel, sodass 1966 Teilstrecken stillgelegt wurden. 1971 kam dann das endgültige Aus der Bahnstrecke, sprich der ODERBRUCH-BAHN.
Noch heute können aufmerksame Beobachter die stillen Zeugen von Einst erkennen. So wurden beispielsweise Bahnstationen zu Wohnhäusern umgebaut. Ferner weisen Reste an Bahnanlagen, Brückenbauwerke, Rampen und Bahndämme, sowie Straßennamen und Anschriften auf die Existenz dieser Bahnlinie noch heute hin.