Fährt man durch Eichwerder in Richtung Thöringswerder, befindet sich rechts am Ortsausgang ein dreistöckiges Gebäude mit Flachdach. In diesem Gebäude drehte sich bis 1985 das Räderwerk zum Antrieb einer Getreidemühle. Gleich danach, noch vor Thöringswerder, ebenfalls rechts, stand früher auf dem sogenannten Mühlenberg eine Bockwindmühle.
Dieser Mühlenstandort lässt sich bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Nach der Oderverwallung wurde noch vor 1784 in Eichwerder eine Windmühle errichtet, denn im Jahre 1784 waren Müllermeister Friedrich Korge, und 1802 Meister Korrik, aus Eichwerder Mitglied des Wriezener Müllergewerkes (Innung). Als letzter Besitzer dieser Windmühle ist Müllermeister Becker bekannt. Da seine Mühle aber 1923 ein Raub der Flammen wurde, war er gezwungen, eine neue Mühle zu bauen. Meister Becker ließ 1925 ein neues dreistöckiges Mühlengebäude mit moderner Mahltechnik errichten. Der Antrieb erfolgte damals schon mit Elektromotor. Zu dieser Zeit gehörten zur Mühle noch ein Wohnhaus mit Bäckerei und mehrere Nebengebäude.
Leider konnte Meister Becker diese Mühle nicht sehr lange betreiben, denn 1936 verstarb er plötzlich. Seine Witwe war nicht in der Lage, die Mühle mit Bäckerei weiter zu betreiben. Noch 1936 schrieb sie das gesamte Anwesen zum Verkauf aus.
Weit im Osten, auf dem heutigen polnischen Staatsgebiet, bei der Stadt Hohensalza (heute Inowroclaw), besaß der Müllermeister Franz Zabel um 1900 eine Bockwindmühle. Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Gebiet um Hohensalza dem polnischen Staat zugeordnet. Daraufhin verließen viele Deutsche diese Gegend, um sich weiter westlich, in Deutschland einen neuen Wohnsitz zu suchen. Meister Franz Zabel blieb seiner Windmühle treu und wurde polnischer Staatsbürger. Sein Sohn, Herbert Zabel, welcher auch zum Müller ausgebildete war, verließ Anfang der zwanziger Jahre das Elternhaus, um in Deutschland in seinem Beruf zu arbeiten. Zunächst wohnte er bei seiner in Alttucheband verheirateten Schwester. Im Jahre 1930 pachtete er die frei gewordene Wassermühle zu Frauendorf (heute Pamiecin) bei Göritz im Kreis Weststernberg und gründete hier 1931 eine Familie. Sechs Jahre bewirtschaftete Familie Zabel diese Wassermühle, wo auch 1936 ihr Sohn Gerhard geboren wurde. Im gleichen Jahr kaufte Meister Herbert Zabel in Eichwerder die von der Witwe Becker zum Verkauf ausgeschriebene Motormühle mit Grundstück und Wohnhaus. Gleichzeitig pachtete er noch 26 Morgen Ackerland hinzu. Im rechten Teil des Wohnhauses befand sich auch eine Bäckerei. Zum Betreiben der Bäckerei stellte Familie Zabel einen Bäckermeister und einen Gesellen an. Der zur Straßenseite liegende Backwarenladen wurde auch zum Verkauf von Kolonialwaren genutzt. Bis 1947 betrieb Familie Zabel die Bäckerei und den Laden in eigener Regie. Danach pachtete bis 1963 der Bäckermeister Alfred Kolecki die Bäckerei. Nach Ablauf des Pachtvertrages baute der Sohn, Gerhard Zabel, die Bäckerei zu Wohnzwecken um. Der Backofen wurde in diesem Zusammenhang entfernt und die Ladentür durch ein großes Fenster ersetzt.
Durch die 1945 im Oderbruch stattgefundenen Kämpfe hatte die Mühle nur kleinere Schäden erlitten, welche Herbert Zabel selbst beseitigte, und er konnte noch 1945 die Mühle wieder in Betrieb nehmen. Danach holten, auf Grund von Denunzierung, wie so viele andere auch, die Russen Herbert ab und internierten ihn in verschiedenen Lagern. Erst 1948 kam er aus dieser willkürlichen russischen Internierung wieder frei. Bis zur Entlassung von Herbert half der aus Ostpreußen stammende Müllermeister Steinsohn, welcher1946 nach Eichwerder gekommen war, Frau Zabel beim Betreiben der Mühle.
Das verheerende Hochwasser, welches 1947 das gesamte Oderbruch überflutete, machte auch vor Zabels Mühle nicht halt. Nach dem Hochwasser musste die gesamte Technik im Kellergeschoß überholt und teilweise erneuert werden.
Bis 1959 produzierte dann Zabels Mühle Roggenmehl für Bäckereien im Oderbruch, Wriezen und Freienwalde sowie Futterschrot für die Bauern im Umkreis.
Ab 1950 erlernte auch der Sohn von Herbert, Gerhard Zabel, das Müllerhandwerk in der elterlichen Mühle. Seinen praktischen Teil der Gesellenprüfung legte Gerhard 1953 in der Malzmühle Wriezen ab und bestand 1958 die Meisterprüfung als Müller.
Durch die Kollektivierung der Landwirtschaft war auch die Mühle von Zabels betroffen. Die Behörden stornierten Mahlaufträge und somit waren Herbert und Gerhard Zabel gezwungen, um das Überleben ihrer Mühle zu sichern, 1960 der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Eichwerder beizutreten. Von diesem Zeitpunkt an produzierte die Mühle nur noch Futtermittel für die LPG.
Um die landwirtschaftlichen Betriebe noch besser mit Futtermitteln versorgen zu können, plante die Kreisverwaltung die Errichtung eines Mischfutterwerkes. In Wriezen stand der ehemalige Hafenspeicher Lherlth leer und war durch seine Konstruktion hierfür sehr gut zu nutzen.
Die Kreisverwaltung beauftragte das Agrarchemische Zentrum Wriezen mit dem Aufbau des Mischfutterwerkes. Gerhard Zabel aus Eichwerder leitete, auf Grund seiner beruflichen Erfahrung, den Einbau der Mahltechnik. 1973 nahm das fertige Mischfutterwerk seine Produktion auf, und dadurch wurde die Mühle Zabel für die LPG Eichwerder überflüssig. Herbert Zabel betrieb die Mühle bis zu seinem 80. Geburtstag nur noch nebenbei zur Lohnschroterei. 1985 übergab Herbert Zabel das Mühlengebäude dann an seine Enkeltochter, welche die Mühle stillegte, die Technik entfernte und das Mühlengebäude zu Wohnzwecken umbaute.
Damit endet die Mühlengeschichte in Eichwerder. Herbert Zabel ist 1989 im 84. Lebensjahre in Eichwerder verstorben. Sein Sohn, Gerhard Zabel, arbeitete bis zu seiner Pensionierung im Jahre1993 im Mischfutterwerk Wriezen und genießt heute sein Rentnerdasein, indem er sich mit dem Bau von Mühlenmodellen beschäftigt.
Quelle:
Dieter Starke, Bad Freienwalde./>