Karl Richter
Neben Altar und Kanzel gehört die Taufe zur liturgischen Grundausstattung protestantischer Kirchen. Der Platz des Taufsteines war in vorreformatorischer Zeit am westlichen Haupteingang der Kirchen. Nach der Reformation wurde das Taufbecken in die Nähe des Altars vor dem Gestühl aufgestellt. Somit wurde die Taufhandlung neben der Predigt und dem Abendmahl in den Mittelpunkt des Gottesdienstes gestellt. Die Umsetzung hatte auch Auswirkung auf die Gestaltung und Ikonographie der Taufbecken. So entstanden neue Taufbecken die Reliefs mit nachreformatorischen Inhalten zeigten (16. Jahrhundert) bis hin zu einfachen schmucklosen oder mit einer Inschrift versehenen (17. Jahrhundert).
Entscheidend bei der Umgestaltung war aber die Änderung des Taufritus. Wurde die Taufe vor der Reformation durch Untertauchen des Kindes im Taufbecken vollzogen, änderte sich der Taufritus so, dass das Kind nur noch mit Wasser benetzt wird. Die großen tiefen Taufbecken wurden dadurch nicht mehr benötigt und es wurden flache Taufschalen angeschafft. Die Bad Freienwalder St. Nikolaikirche bietet hierfür ein gutes Beispiel. Ein spätromanisches Taufbecken aus dem 13. Jahrhundert in Form eines Pokals ist hier erhalten, das für das Untertauchen des Kindes im geweihten Wasser geschaffen wurde. Es gehört zu den ältesten Taufbecken in der Mark Brandenburg. In der nachreformatorischen Zeit wurde es dann umgestaltet indem man das Becken mit einer Holzabdeckung versehen hat in der eine flache Taufschale aus Messing eingelassen ist. Sie ist eine Nürnberger Arbeit des 16./17. Jahrhundert und zeigt Josua Kaleb mit der Riesenweintraube. Wann dieses Taufbecken bemalt wurde ist nicht bekannt, vermutlich bei der Umgestaltung.
Aus der Änderung des Taufritus ergaben sich weitere Möglichkeiten für die Unterbringung der Taufschale. Beim Wiederaufbau der zerstörten Kirchen nach dem Dreißigjährigen Krieg machte sich durch die Neubevölkerung, besonders in den Landkirchen, ein Platzmangel bemerkbar. Um den neuen Bedingungen zu entsprechen, wurde die Innenausstattung verändert. Da die Predigt im protestantischen Gottesdienst eine besondere Bedeutung hat, wurde daraus eine Raumkonzeption abgeleitet, die der Verkündigung des Evangeliums entsprach. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hielten die Kanzelaltäre und gegen Ende des Jahrhunderts die Taufengel Einzug in den evangelischen Kirchen. Der besondere Aufstellungsplatz für die Kanzel und den Taufstein fielen weg. Es wurde Platz geschaffen zur Erweiterung des festen Gestühls und den Einbau von Emporen.
Mit der Einführung eines von der Decke schwebenden Taufengels übernahm er die Funktion des Taufsteines. Bei Bedarf wurde er von der Decke heruntergelassen und nach Beendigung der Taufe wurde er wieder hochgezogen. Neben dieser funktionalen Zweckmäßigkeit werden in neueren Forschungen die theologischen Voraussetzungen diskutiert, welche die Taufengel möglich machten und zu erklären vermögen. Helga de Cuveland sieht diese in der Engelslehre Luthers, der den Engel “als eine von Gott dem Menschen zum außerordentlichen Dienst verordnete außergewöhnliche Kraft” verstand, “die sich in der Abwehr von Teufeln, Unglauben und Sünden entfaltet”. Dieser Dienst begann jeweils mit der Taufe eines Menschen und dauerte “über den Tod hinaus bis zum Empfang der Seele im Himmel”. Das Vertrauen darauf, von Engeln bewahrt zu werden, ist in Kirchenliedern, Predigttexten, Agenden, Andachten und in der christlichen Erbauungsliteratur bis ins 18. Jahrhundert hinein lebendig.
Im 19. Jahrhundert verlor sich das Interesse an den Taufengeln. Sie verschwanden nach und nach aus den Kirchen, bis auf einige wenige, und wurden teilweise auf dem Kirchenboden abgelegt oder einen Museum übergeben. Im 20. Jahrhundert besann man sich wieder auf die barocken Taufengel und, wo es möglich war, holte man sie in die Kirchen zurück. So hängen heute noch oder wieder eine ganze Anzahl von Taufengel an ihren angestammten Platz. Dort wo sie in Gebrauch sind, wurden die alten beweglichen Aufhängevorrichtungen erneuert. Teilweise sind nur Torsos übriggeblieben, die aber noch von einer hohen künstlerischen Arbeit Zeugnis ablegen. In der St. Nikolaikirche steht rechts vom Haupteingang ein Taufengel, der nicht zur ursprünglichen Ausstattung gehört. Er soll aus der alten 1880 abgerissenen Fachwerkkirche von Bliesdorf stammen. 1924 befand sich der Taufengel noch auf dem Kirchenboden in Bliesdorf. Vermutlich befand er sich dort seit dem Neubau der Kirche 1881. Wie und wann er von Bliesdorf nach Bad Freienwalde gekommen ist, ist nicht bekannt. Es muss aber noch vor dem Zweiten Weltkrieg geschehen sein, da die Kirche im Krieg stark beschädigt wurde und ausbrannte.
Vor der Aufstellung in der St. Nikolaikirche in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der ursprünglich schwebende Engel durch die Befestigung auf einem Sockel in einen stehenden umgearbeitet. Vermutlich wurde er dabei auch neu gefasst. Auf der Rückseite des linken Flügels ist eine fragmentarische Inschrift freigelegt, die die Jahreszahl 1704 wiedergibt. Um diese Zeit (seit 1703) hatte der Bildhauer Heinrich Bernhard Hattenkarell in Mohrin (heute Moryn in Polen) seine Werkstatt. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt dieser Taufengel aus seiner Werkstatt. Vergleiche mit den Taufengeln in Lietzen Nord, Wilmersdorf, Groß Breesen und der nicht mehr existierende Taufengel von Altwriezen, die alle Heinrich Bernhard Hattenkerell zugeschrieben werden, weisen große Ähnlichkeiten auf.
In der alten Bliesdorfer Fachwerkkirche schuf Heinrich Bernhard Hattenkerell 1701 auch den Altar und die Kanzel. Beide wurden 1881 in die neue Kirche umgesetzt und verbrannten 1945 durch Kriegseinwirkung. Somit ist in unserer Region nur der Taufengel in der St. Nikolaikirche von Heinrich Bernhard Hattenkerell erhalten geblieben. Zur Erhaltung des Engels wäre es wünschenswert, eine baldige konservatorische Behandlung durchzuführen.
Quellen: – Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Museum: Taufengel in Brandenburg, eine Bestandserfassung, 2006
– Ulrich Pfeil: Bad Freienwalde St. Nikolai, Kunstverlag-PEDA Passau, 1993
– Rudolf Schmidt: Zur Entwicklungsgeschichte des Dorfes Altbliesdorf,
Oberbarnimer Kreiskalender 1924
Quelle:
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