1997 war das Oderbruch in aller Munde. Fernsehkameras und Reporter berichteten seinerzeit von den Soldaten, zahlreichen Helfern und der einheimischen Bevölkerung, wie sie unzählige Sandsäcke füllten und schleppten. In einem Landstrich von deren Existenz so mach ein Bayer, Franke oder Saarländer erst durch die zahlreichen Fernsehberichte erfuhr. Das sensible Verhältnis zwischen Mensch und Natur wird gerade in diesen Landstrichen wie an der Oder und an der Elbe sehr deutlich. Wird das Oderbruch wieder zu dem, was es einmal war? Einer Flussniederung mit mehr als zwei Überschwemmungen im Jahr? Wetterextreme werden von Klimaforschern in aller Welt vorausgesagt. Doch es wurde in den letzten Jahren viel im Oderbruch getan, um diese Notsituationen entgegen zu wirken. 1997 konnte in letzter Sekunde eine große Katastrophe, dank aller Helfer verhindert werden. Seither wurden alle Deiche und Dämme erneuert und erhöht. Die Bundesregierung und das Land setzten mehr als 250 Millionen EURO ein, um derartige Katastrophen weitestgehend für die Zukunft zu verhindern.
Zwischen der Lebuser Platte im Süden und Westen, der Oder im Osten und der Barnimer Hochebene im Norden ist das Gebiet gerade mal 56 Kilometer lang, sowie zwischen 12 und 20 Km breit und umfasst insgesamt 640 Quadratkilometer. Bei Bad Freienwalde verengt es sich auf nur 1,5 bis 4 Km. Die Ebene ragt nur wenig über den Meeresspiegel hinaus und die angrenzenden Hochebenen erreichen keine 100 Meter. Im Süden sind es 14 Meter und im Norden gerade Mal noch 2 Meter über NN. Heute leben noch etwa 19.000 Menschen in dieser weiten Ebene. Geprägt ist die Landschaft im Grenzland zu Polen von Äckern auf denen zu heutiger Zeit Weizen, Sonnenblumen, Zuckerrüben und Gemüse angebaut wird.
„Alle noch vorhandenen Nachrichten stimmen darin überein, daß das Oderbruch vor seiner Urbarmachung eine wüste und wilde Fläche war, die, sehr wahrscheinlich unserem Spreewald verwandt, von einer unzähligen Menge größerer und kleinerer Oderarmen durchschnitten wurde.“ Theodor Fontane
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Friedrich Wilhelm I. von Preussen (Gemälde von Antoine Pesne, um 1733) |
Ein Mangel an Wasser bestand im Oderbruch zu keiner Zeit. Man findet noch heute etliche Entwässerungsgräben und der Grundwasserspiegel steht auf hohem Niveau.
Nur durch das Eingreifen des Menschen hat sich diese Landschaft verändert. Urkundlich erwähnt im Jahre 1539 wurde mit dem Bau von Deichen in der Gegend zwischen Seelow, Küstrin und Lebus begonnen. Allgemein bekannt ist, dass Friedrich II. in seiner Regierungszeit zwischen 1740 und 1786 für die Trockenlegung des Oderbruchs sorgte. Er gewann damit neue Provinzen und begann mit der Besiedelung von Kolonisten. Über seine Vorgänger hingegen ist nur wenig bekannt. Fischer besiedelten das Oderbruch schon lange vor seiner Trockenlegung. Sie errichteten ihre Dörfer auf höher gelegenem Land und umgaben sie vorsorglich mit Wällen aus Dung. Sie blieben abhängig von der Natur, da sie nur kleine Flächen schützten. Schon Friedrich Wilhelm I., der von 1713 bis 1740 regierte, ließ einen durchgehenden Deich von Zellin (Czelin) bis Lebus bauen.
Aber erst Friedrich II. vollendete das Werk und wird noch heute für die Trockenlegung verantwortlich gezeichnet. Somit änderten sich die Lebensumstände grundlegend. Der eigentliche Verantwortliche ist der Wasserbaumeister Simon Leonhard von Haerlem, der als Beauftragter das Werk beendete. Das Werk, welches die Begradigung des Flussbettes der Oder zwischen Güsterbiese (Gozdowice) und Hohensaaten vorsah, wurde von dem damals berühmten Mathematiker Leonhard Euler überprüft. Dementsprechend legte Friedrich II. mit zirka 1.600 Arbeiter und Soldaten in der Zeit von 1747 bis 1753 ein etwa 20 Km langes neues Flussbett an, welches weitgehend geradlinig ausgehoben und eingedeicht wurde. Das alte Flussbett der Oder wurde gleichermaßen zur Entwässerung genutzt. Sie durchzieht heute noch mit etwa 80 Km diese Niederung.
Bei den Fischern des Oderbruchs machte sich Friedrich II. keine großen Freunde. Sie durchstachen die neu angelegten Deiche und schrieben etliche Beschwerden, da sie zu Recht um ihre Existenz fürchteten.
Der siebjährige Krieg kostete der Staatskasse Preußens nahezu 140 Millionen Taler. Die Trockenlegung des Oderbruchs mit den Dorfgründungen und die Ansiedlung der Familien hingegen 600.000 Taler. Aber die Trockenlegung des Oderbruchs war nicht die Einzigste Friedrich II. Die Warthe in der Neumark – heute Polen – und die Netze wurden mit 130 neuen Ortschaften und zirka 3.000 Familienansiedlungen reguliert. Neue Provinzen im Frieden erobern, würde man heute sagen. Hierzu zählt auch die Trockenlegung der Rhin- und Dossenniederung ab 1773 mit 25 neuen Dörfern und zirka 1.300 Familienansiedlungen.
Doch bis 1860 zogen sich die Arbeiten der Trockenlegung des Bruchs hin. Die so neu gewonnene Landschaft für Ackerbau und Viehzucht bliebt ein der Natur abgerungener Landstrich, der stets der Gefahr einer erneuten Überschwemmung ausgesetzt war. Erst zu jener Zeit wurde auch die Deichlücke bei Hohensaaten geschlossen, sodass das Niederoderbruch weitestgehend vor Überschwemmungen durch Rückstau sicher war. So wurden Überflutungsflächen und Schöpfwerke wie das 1895 erbaute Pumpenwerk Neutornow erschaffen.
Der Zweite Weltkrieg hatte auch an diesen Anlagen seine Spuren hinterlassen. Als dann im Frühjahr 1947 das Eis schmolz, ergossen sich die Wassermassen über das Oderbruch bis hinein nach Wriezen. Bei den Jahrhundertfluten von 1982 und 1997 konnte das erneute Überfluten des Oderbruchs dank der zahlreichen Helfer verhindert werden.
An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz persönlich bei allen Helfern, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens die Katastrophe abgewendet haben ganz herzlich bedanken.
Zeitablauf und Ereignisse der Trockenlegung des Oderbruchs |
1539 |
Errichtung von Sommerdämmen zwischen Lebus und Küstrin |
1571 – 1598 |
Unter Kurfürst Johann Georg wurden die Dämme erhöht |
1662 – 1669 |
Bau des Friedrich-Wilhelm-Kanals zwischen Oder und Spree |
1717 |
Unter Friedrich Wilhelm I. wurde der Oderdamm zwischen Zellin und Lebus fertiggestellt |
1730 – 1738 |
Unter Leitung des Ing. G. F. Worthmann wurde ein Entwässerungsgrabensystem erbaut |
1736 |
Zudämmung der Alten Oder bei Küstrin unter Leitung des Oberdeichinspektors von Haerlem |
1744 – 1757 |
Zur Verbesserung der Schiffahrtsmöglichkeiten wurde der Finowkanal zwischen Oder und Havel gebaut |
21. Jan. 1747 |
Auftragserteilung zur Trockenlegung des Niederoderbruchs durch Friedrich II. an Minister von Marschall |
1748 |
Gewaltige Überschwemmungen bei Altwriezen |
1748 |
Die hohenwutzener Brücke wird fertiggestellt |
1748 |
Bei Neuglietzen ist der Kanaldurchstich fast fertig |
1749 |
Arbeiten am Krummen Ort |
1750 |
Weiterführende Arbeiten durch die Grüneberger Feldmark |
1750 |
Erneute Überschwemmungen bei Altwriezen |
1750 |
Eisverstopfung bei Bralitz |
1751 |
Unter Oberstleutnant von Retzow und Ingenieurkapitän Petri werden die Kanalarbeiten fortgesetzt |
1752 |
Dammarbeiten im Gebiet von Rüdnitz |
1752 |
Die Kanalarbeiten bei Lietzegöricke werden abgeschlossen |
1753 |
Bau der Brücke bei Lietzegöricke / Zäckerick |
1753 |
Durchstich des Querdamms bei Güstebiese |
02. Juli 1753 |
Der Kanal wurde eröffnet (neues Oderbett) |
1770 |
An sieben Stellen bricht der Damm |
1770 |
Die Dämme werden erhöht |
1780 |
Erneute Dammbrüche wegen Eisverstopfungen |
1783 |
Alle neugegründeten Dörfer werden überschwemmt |
1784 |
110 Häuser, 4 Brücken, eine Kirch und eine Schleuse werden zerstört |
1838 |
28 Ortschaften werden aufgrund von drei Deichbrüchen überschwemmt |
1838 |
Neurüdnitz bekommt ein Schöpfwerk |
1849 – 1859 |
Bei Hohenwutzen wird die Deichlück geschlossen; Verlegung des Wasserrückstaupunktes um 17 Kilometer |
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stromabwärts nach Stützkow |
1849 – 1859 |
Zur Eindeichung und zum Wasserausgleich des Lunow-Stolper und des Zehdener Bruchs wird ein Wehr errichtet |
1876 |
In Hohensaaten wird ein neues Schöpfwerk in Betreib genommen |
1924 – 1928 |
Ausbau des Hauptvorfluters des Oderbruchs |
1940 |
Wegen Deichbruch wird das Zehdener Polder überschwemmt |
1945 |
Reparatur der Schöpfwerke und Dämme nach Kriegsende |
1947 |
Dämme und Schöpfwerke werden erneut durch Hochwasser zerstört |
seit 1970 |
Die Dämme werden ständig gewartet und überwacht |
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Leistungsstärkere Schöpfwerke werden errichtet |
1997 |
DIE JAHRHUNDERTFLUT, die Dämme halten der Flut stand |
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Erhöhung und teilweise Erneuerung der Dämme |